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Shutdown vor dem Showdown - eine Momentaufnahme aus dem Stellungskrieg

Die amerikanische Demokratie sieht verfassungsmäßig ein Wechselspiel von Konflikt und Kompromiss vor. Doch Interessenausgleich und Kooperation sind nicht die Tugenden, derentwegen viele zornige weiße Männer den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus gespült haben. Sie dulden bei ihrem starken Mann keine Schwäche, erst recht nicht bei seinem Prestigeprojekt, der großartigen Mauer. Darum stiefelte Trump großspurig in eine Sackgasse, aus der er ohne Gesichtsverlust kaum wieder herauskommen wird.

 

Unversöhnliche Fronten

Die Analyse der Lage könnte kaum unterschiedlicher sein: Der Präsident hat die illegale Einwanderung als die Wurzel aller Probleme erkannt. Die Mauer (die offenbar doch nicht von Mexiko bezahlt wird) soll ihm als Monument der Entschiedenheit seine Wiederwahl sichern. Im Gegensatz dazu wollen die Demokraten den Dreamern zu einem sicheren Aufenthaltsstatus verhelfen, die als Minderjährige illegal in die USA gelangt sind. Migration wird zur politischen Zerreißprobe.

 

Ringen um die öffentliche Meinung

Sehr aufschlussreich ist, wie beide Seiten sich belauern und aus sicherer Distanz um die öffentliche Meinung ringen. Den besten College-Football-Spielern des Landes serviert der Präsident im Zeichen des Shutdowns bestes amerikanisches Fast Food und erklärt allen Ernstes, die Ehefrauen von Präsident und Vizepräsident hätten zunächst erwogen, in der Küche für die Footballer etwas Salat vorzubereiten. Seiner demokratischen Gegenspielerin Pelosi untersagt er angesichts der Haushaltslage die Nutzung einer Militärmaschine. Diese wiederum stahl Trump die Show, indem sie ihn nicht vor dem Kongress zur Lage der Nation sprechen ließ; schließlich könnte angesichts des Shutdown die Sicherheit des Präsidenten nicht gewährleistet werden. Außerdem heftete sie zuletzt Trumps groß angekündigtem Kompromissvorschlag sofort das Etikett Rohrkrepierer („Non-Starter“) an, bevor dieser seinen Weg durch die Newskanäle nehmen konnte. Keine Seite verschenkt ohne Not einen Zentimeter.

 

Das Blame-Game: Trumps Rodeo-Strategie

Wessen Geschichte wird überzeugen? Wem werden die Wähler den teilweisen Stillstand der Regierungsgeschäfte ankreiden? In Trumps politischer Heimat erfreut man sich auch noch im 21. Jahrhundert an der ländlichen Kultur des Rodeo. Hierzulande etwas unbekannter ist das Bull-Poker. Bei dieser Mutprobe sitzen mehrere Spieler unbewegt am Tisch und tun so, als würden sie pokern. Dann wird ein Bulle auf die Runde losgelassen, den man wie gewohnt die Genitalien abgeschnürt und bis aufs Blut gereizt hat. Wer am längsten am Tisch sitzen bleibt, hat gewonnen. Der Präsident scheint sich beim Shutdown ein Beispiel an den Bullpoker-Spielern zu nehmen. Wenn er nur den Mut aufbringt, lang genug sitzen zu bleiben, wird der Bulle schon auf die Demokraten losgehen. Tatsächlich tut er alles dafür, um die Wählerschaft aufzuheizen: Zur besten Sendezeit wendet er sich an seine Landsleute und beschwört eine „humanitäre Krise, eine Krise des Herzens und eine Krise der Seele“ an der mexikanischen Grenze. Er warnt vor dem Drogenschmuggel, der Kriminalität der Illegalen und malt den Teufel an die Wand.

 

Blame-Game (2): Die Demokraten

Die Demokraten reagieren prompt und nehmen Trump den Wind aus den Segeln, indem sie die Verbesserung der Grenzsicherung in Aussicht stellen. Die Mauer lehnen sie aber dennoch rigoros ab und geben sich doch kompromiss- und gesprächsbereit. Sie zeigen mit dem Finger auf einen mehrheitsfähigen und überparteilichen Haushaltsentwurf, der schon auf dem Tisch liegt, und weisen die Verantwortung für den Regierungsstillstand dem Präsidenten zu. Dabei haben sie alle Umfragen auf ihrer Seite; Trumps Horrorstories verfangen nicht.

 

Wie geht es weiter?

Nicht nur die Regierungsbeamten im Zwangsurlaub sind zwischen die Fronten geraten, auch die Versorgung der Ureinwohner in ihren Reservaten ist unterbrochen, die Nationalparks werden nicht bewirtschaftet und die NASA läuft im Notfallbetrieb. Der Konflikt politisiert die amerikanische Bevölkerung und wird sich im Laufe der Wochen zu einem vorgezogener Wahlkampf entwickeln. Wer wird sich bewegen? Trumps politische Zukunft steht und fällt mit der Mauer. Wenn er beim Bull Poker wegrennt wie ein Feigling, wird seine Wählerschaft ihm das nicht verzeihen. Aber immer mehr Republikaner werden sich von ihrem Präsidenten absetzen und ihn schließlich fallen lassen. Schließlich steht auch die politische Zukunft jedes einzelnen Mandatsträgers auf dem Spiel und sie werden nicht gemeinsam mit diesem Präsidenten untergehen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie das vonstatten gehen wird. Die beiden prominentesten Akteure der Demokraten, Chuck Schumer und Nancy Pelosi, sind erfahrene politische Urgesteine. Sie werden die eigenen Reihen schließen und aus dem Shutdown einen Showdown machen.

 

Bildnachweis und -rechte:

Thomas Eakins: "Zwischen den Runden", gemeinfrei/US public domain via Wikimedia Commons.

George Bellows: "Dempsey and Firpo", gemeinfrei/US public domain via Wikimedia Commons.

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